Ferdinand Kronegg
Das Münchener Hofbräuhaus
[Wie es einst war und wie es ist]
C. Brügel & Sohn - Ansbach - 1897 [hier: Reprint 1992]
gebunden - ca. 10 x 15 cm - 88 S., ill.
INT / DNB
Nicht
nur der ansonsten sehr verdienstvolle, 1861 in Wien geborene, 1898 nach
München gekommene und 1901 nach Berlin verzogene und dort unbekannten
Datums verstorbene Autor und Historiker Ferdinand Kronegg ließ in seinem
Werkchen über die Holbräuhausgeschichte, erschienen 1897 anlässlich der
HB-Neubaueröffnung am Platzl, eine wesentliche Passage um die
herzoglich-bayerische Biersiederei unerwähnt Auch dem Verfasser der
1989 herausgegebenen, 240seitigen, im -Großformat gedruckten
Festpublikation zum 400jährigen Hofbräuhausjubiläum passierte dieser
Lapsus. Wenigstens an dieser Stelle soll sie deshalb in Erinnerung
gebracht werden: In München existierte neben dem sogenannten „Braunen"-
und „Weißen"- eine zeitlang auch noch ein drittes Hofbräuhaus, damals
,.Herzogliche Braustatt im Krottental" genannt, weil es sich am
westlichen Eingang zum Krotten- oder Krötental befand, aus dem später
das Rosental wurde. Seiner Entstehung lag die 1668 erfolgte
Verehelichung Herzog Maximilian Philipp Hieronymus, eines Bruders des
Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern (1636 - 1679), mit der Tochter des
Herzogs von Boullion zugrunde, die dem Landesherrn als „unebenbürtig"
nicht zur Nase stand. Er verweigerte deshalb seine Zustimmung, ohne
freilich am Entschluß des Bruders etwas ändern zu können. Allerdings
drehte ihm der Kurfürst von diesem Augenblick an den Geldhahn zu. Mit
der Folge, daß der herzogliche Bruder bis zum Ableben des Landesherrn
mit finanziellen Kamalitäten zu kämpfen hatte. Gänzlich unbrüderlich
wäre es andererseits gewesen, dem jungen Paar eine standesgemäße eigene
Hofbräustatt zu versagen. Folglich ließ sich Ferdinand Maria dazu
bewegen, ihm „zur Befriedigung der nottdurft pier für Dero Hofstaat und
auf Gesuch des Herzog freundlich brüderlich begehren lassn, in der
Statt ein vorhanden prewhauss" (Dr. Fritz Sedlmayr) durch die
kurfürstliche Hofkammer „kauffn zu lassn, wobei die (die prewstatt)
nicht nur die nottdurft für ihren Hofstaat soll preuen dürfen, sondern
auch in anderwerz ihren nuzen damit mögen (haben)." im Anschluß an
diesen brüderlichen Hulderweis besichtigten Beauftragte des
kurfürstlichen Hofes längs der Neuhausergasse und in deren Seitenstraßen
an die zwanzig Brauereien mehrmals hintereinander, ohne fündig zu
werden. Entweder erwiesen sich die Braustätten als zu teuer (Pollinger-
später Oberpollingerbräu, und gegenüber die den Paulanerpatres
gehörende Lerch'sche Brauerei), oder als „nicht dem herzoglichen Stande"
des späteren Betreibers angemessen. Nach einjähriger Pause ging die
Suche ab 1670 weiter nach „einem tauglich orth, wohin ein bloß prewstatt
von Neuem erpauth werden kann sambt kleiner Wohnung für den Herzog",
der inzwischen die Maxburg als Residenz bezogen hatte „allwo für ein
prewstatt kein platz vorhanden". Nach weiteren Jahren emsiger
Hofkammerrecherche kam 1672 die „Brauerei nächst dem Hochzoll" ins Spiel
deren hinterer Teil an die Maxburg grenzte, um sofort vom Herzog als
„wohnlich unzumutbar" abgelehnt zu werden. Man darf darüber rätseln,
wozu der in der Maxburg mit seiner jungen Frau bestens untergebrachte
hohe Herr ausgerechnet auch noch in seinem Hofbräuhaus einer Wohnung
bedurfte.
Diesem riß langsam die Geduld. Und auch der Landesvater wurde immer
ungehaltener, da der Bruder sein „hofstattpier" fortwährend vom Braunen
Hofbräuhaus bezog ohne je einen Gulden dafür zu bezahlen. Immerhin
mußten von Maximilian Philipp Hieronymus an die hundert Bedienstete
täglich mit Bier versorgt werden! Trotzdem vergingen zwei weitere Jahre,
ehe man im besagte Krottental endgültig einen passenden Braustadel
entdeckte. Und zwar in einem neben dem Püttrichturm (später Ruffiniturm)
gelegenen kurfürstlichen Traidschuppen (Traid - zur Jagd genutzte
Planen). Nun lag aber auf diesem Anwesen keine Brauereigerechtsame, und
ohne diese blieb in München auch einem Herzog das Bierbrauen untersagt.
Folglich erwarb die Hofkammer 1674 für 250 fl. die ruhende Gerechtsame
einer Wittib Göz. Dann war es endlich so weit: Die Umbauarbeiten wurde
rasch ausgeführt, und Herzog Max durfte brauen. Entgegen eines strengen
Verbots sott er vom Start weg ein besonders starkes, süffiges Bier, und
dies auch noch (gegen ein weiteres Gebot verstoßend) über Georgi (23
April) hinaus, und verkaufte es (eine zusätzliche Verbot widrigkeit)
„über die Gassn". Bittschriften der bürgerlichen Brauer, dieses Treiben
zu unterlassen, blieben ebenso erfolglos wie des Kurfürsten eigenes ganz
bestimmtes Signat „Ex Commissione Serenissmi Domini Ducis Electoralis
spezialij", sich an bestehende Vorschriften zu halten. Der herzogliche
Bräu dachte gar nicht daran, sich zu fügen. Als seine finanzielle Misere
trotz solch rigoroser Geschäftepraktiken immer größer wurde, bat er den
Bruder in einem herzzerreißenden Brief, ihm „alle Schulden wegen meiner
bekhanten schlichten Mittel" zu erlassen. „Habe per anno doch nur
wenige 40000 Gulden!" Fünf Jahre lang wurde im Krottental herzoglich
bayerisches Hofbräubier gebraut und bestens verkauft. Das „Aus" kam von
einem Tag auf den anderen. Nach Kurfürst Ferdinand Marias Tod 1679 hatte
dessen Neffe Max Emanuel die Regentschaft übernommen und mit der
Hofbräustatt seines zweiten Onkels andere Pläne. Ohne den armen
Verwandten zu verständigen, machte er das Krottentalanwesen zum Wohnsitz
seines „Hofbräuhaus Gegenschreibers", zahlte den Herzog aber generös
mit 7000 Gulden aus. Auf diese Weise kam Bayerns Landeshauptstadt
traurigerweise um ihr drittes Hofbräuhaus.
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